Handlung
Als Dr. Martin Harris (Liam Neeson) nach einem schweren Autounfall aus dem Koma erwacht, beginnt sein Albtraum erst: Seine Frau (January Jones) erkennt ihn nicht mehr und ein anderer Mann (Aidan Quinn) hat Harris’ Platz eingenommen. Nicht nur als ihr Ehemann, auch als angesehener Wissenschaftler, der auf einem Kongress einen wichtigen Vortrag halten sollte. Als wäre das nicht genug, wird er auch noch von einem Killer (Stipe Erceg) gejagt. Was ist mit ihm passiert? Harris beginnt an seinem Verstand zu zweifeln. Um seine Frau und sein altes Leben zurück zu gewinnen, macht er Gina (Diane Kruger) ausfindig, die Taxifahrerin, die ihn bei dem Unfall gerettet hat. Sie und der ehemalige Stasi-Agent Jürgen (Bruno Ganz) sind seine einzigen Verbündeten im Kampf um seine Identität gegen einen übermächtigen Gegner.
Filmkritik | Unknown Identity

Die Regel sieht folgendermaßen aus: Je älter Schauspieler werden, desto stärker versuchen sie ins Charakterfach zu wechseln. Scheitert dieses Unterfangen, klammern sie sich verzweifelt an ihre alten Stereotypen, aktuell sehr schön bei Tom Cruise (48) oder Sylvester Stallone (64) zu beobachten. Doch auch hier existiert die Ausnahme, verkörpert durch Liam Neeson. Seit Jahrzehnten als Charakterkopf etabliert, macht der Schauspieler mit zunehmendem Alter auch verstärkt als Actionstar von sich reden. Nicht, weil er keine besseren Rollen mehr angeboten bekommen würde, sondern quasi als entspannende Zweitkarriere. „96 Hours“, „A-Team“ und nun auch „Unknown Identity“.
„Unknown Identity“ benutzt nichts anderes als das „96 Hours“ Konzept in abgewandelter Form: Liam Neeson in einer europäischen, aus amerikanischer Sicht exotischen Stadt, einem Geheimnis auf der Spur, umgeben von Intrigen und Verschwörern. Selbstverständlich hinterlässt Neeson auch in Berlin während seiner Wahrheitssuche eine Schneise der Zerstörung. „96 Hours“ gründete auf einer simplen Rachegeschichte, die auf einer noch simpleren Vater-Tochter Beziehung aufbaute. „Unknown Identity“ verdichtet eine ähnliche Simplifizierung mit einem klassischen Identitätsverlust - der „eingedeutschte“, narrensichere Filmtitel spricht für sich. Um die Handlung nicht zu linear erscheinen zu lassen, wurde gegen Ende noch ein „The Game“ artiger Subplot in die Struktur integriert, wohl im Irrglauben, das ganze Schauspiel raffinierter aussehen zu lassen. Aber trotz allen Täuschungsversuchen bleibt der Film was er ist: Logikfreies und teilweise unzumutbar dämliches Hollywoodkino, das bloß von Liam Neesons Präsenz zusammen gehalten wird.
Doch, nicht nur Neesons steinerne Mine macht den Film genießbar, auch das aus deutscher Sicht sehr vergnügliche Berliner-Setting. Besonders für Ortskundige entwickelt der Film einen - unfreiwillig - hohen Spaßfaktor. Es ist unglaublich erheiternd, zuzusehen, wofür einige Ortschaften zweckentfremdet wurden - Stichwort Flughafen Tegel oder Eingangshalle HFF - und an welchen Bahnhöfen sich Depri-Neeson überall herumgedrückt hat. Wobei, auch Bruno Ganz als stolzer, in die Jahre gekommener Stasi-Spion trug zur Unterhaltung bei. Nur ein Schauspieler seines Kalibers schafft es, eine solch geballte Klischee-Konzentration, die direkt aus dem Mad-Magazin entsprungen sein könnte, so erhaben und vollkommen schmerzfrei darzustellen.
„Unknown Identity“ ist im Grunde nichts anderes als eine zu ernst geratene Verfilmung des Kinderbuchklassikers "Wo ist Walter?" inklusive Partybonus für Berliner. Wenn in der zweiten Hälfte so manches Postkartenmotiv in die digitale Luft gesprengt wird, bleibt kein Auge trocken.
Filmkritik von Orlindo Frick